Beinahe
jeder, der
heutzutage im deutschen Sprachraum eine Diplomarbeit, Dissertation oder
einen
wissenschaftlichen Aufsatz schreibt, steht vor dem Problem,
englischsprachige
Fachausdrücke in seinen Text integrieren zu müssen. Selbst
wenn deutsche
Begriffe zur Verfügung stehen, die etwas Ähnliches
bezeichnen, kommt man gegen
die Dominanz der englischsprachigen Literatur schwer an
- wenn man es überhaupt will! Denn nicht
wenige Autoren haben kein Bewusstsein dafür, dass der
englisch-deutsche
Sprachmischmasch unästhetisch oder gar unleserlich sein kann.
Dass sich „to outsource“
auch mit „ausgliedern“ statt mit „outsourcen“ übersetzen
lässt, hat sich zwar
allmählich herumgesprochen; allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem
die
Denglisch-Vokabel bereits weitgehend etabliert ist und zumindest von
Fachleuten
generell verstanden wird. Vielleicht hat „outsourcen“ sogar einen
gewissen
Informationswert, der „ausgliedern“ fehlt: Die offenkundige Herkunft
aus dem
Englischen verdeutlicht, dass die damit bezeichnete Tätigkeit ein
Produkt angloamerikanischer
Unternehmenskultur ist (Kritiker des Ausgliederns würden freilich
eher von
Unternehmensbarbarei sprechen). So wird deutlicher, wes Geistes Kind
einer ist,
der das „Outsourcen“ propagiert – vermutlich jedenfalls kein
Anhänger der traditionellen
„Deutschland AG“.
Bezeichnenderweise ist es
noch keinem Modeschöpfer eingefallen, „haute couture“ mit „hohe
Schneiderei“ zu
übersetzen, auch wenn er oder sie der Meinung sein sollte, dass
Düsseldorf es
mittlerweile als Modemetropole mit Paris aufnehmen kann. Über die
oft
vielschichtige Bedeutung eines Ausdrucks entscheiden eben nicht nur die
Verbindung zu einer bestimmten Sache oder Angelegenheit, sondern auch
die
innersprachlichen Assoziationen. Die Herkunft eines Wortes aus einer
bestimmten
Fremdsprache weckt oft ein ganzes Bündel an Gedankenverbindungen,
zum Beispiel
zu nationalen Klischees. So hat man nicht gehört, dass die auf
ihre Sprache so
stolzen Franzosen es bereut haben, den deutschen Ausdruck „Waldsterben“
in den
1980er Jahren unübersetzt in ihren Sprachschatz aufzunehmen – um
nämlich zu
unterstreichen, dass sie „le waldsterben“ eher für ein
Phänomen der deutschen
Seele als des deutschen oder gar französischen Waldes hielten.
Fachautoren helfen die
Betrachtungen indessen nicht unbedingt aus der Klemme. Nehmen wir als
Beispiel folgenden
Satz:
„Der
Finite Mixture Ansatz
geht nicht von einer steigenden Anzahl an Consumer Preferences aus.“
Was macht der gestresste
Wirtschaftswissenschaftler, der ihn getippt hat, was der Lektor, der
ihn zum
Korrekturlesen vorgelegt bekommen hat?
Es ist ein Leichtes, aus den
„Consumer Preferences“ Konsumentenpräferenzen oder
Verbrauchervorlieben zu
machen. Was aber soll aus dem „Finite Mixture Ansatz“ werden?
Offensichtlich
ist der Finite Mixture Ansatz zugleich ein German-English Mixture
Beispiel. Nun
kann der Verfasser einer Doktorarbeit nichts dafür, dass an
deutschen
Universitäten im Allgemeinen verlangt wird, dass Dissertationen
auf Deutsch
geschrieben werden, während der größte Teil der
Fachliteratur auf Englisch
erscheint. Wie also soll zusammenwachsen, was sprachgeschichtlich seit
1500
Jahren nicht mehr zusammengehört?
Natürlich kann es einen
„finiten Mischansatz“ geben – oder einen „Ansatz der finiten Mischung“,
einen
„endlichen Mischansatz“, einen „Ansatz endlicher Mischung“ usw. Das
Problem ist
ja nicht, dass die deutsche Sprache nichts hergibt. Im Gegenteil, sie
ist sehr
flexibel. Und genau hier liegt das Problem. Wenn sich fünf
verschiedene Autoren
mit sprachlichem Sendungsbewusstsein an das Eindeutschen englischer
Fachausdrücke machen, kommen möglicherweise fünf (oder
mehr) Versionen heraus.
Wissenschaft lebt aber unter anderem von möglichst einheitlichen
Terminologien.
Nicht umsonst arbeiten Biologen weiter mit dem lateinischen System
Linnés,
obwohl Latein als Fachsprache für Biologie längst ausgedient
hat und vom
Englischen verdrängt wurde. Außerdem ist fraglich, ob sich
die Mühe des
Eindeutschens lohnt, da viele Fachtermini so kurzlebig sind wie die
Karriere
der Forscher, die sie sich ausgedacht haben. Außerdem ist zu
bezweifeln, dass
der finite Mischansatz wirklich das ausdrückt, was er bezeichnen
soll. Ist die
Mischung finit oder der Ansatz?
Bleiben wir also bei der
Halb-Übersetzung „Finite Mixture Ansatz“. Gutes Deutsch ist das
sicher nicht.
Im Gegensatz zum Englischen lässt das Deutsche grundsätzlich
keine Nomen zu,
die aus abgetrennten Wörtern bestehen. Ausnahmen – vor allem bei
Eigennamen –
bestätigen die Regel. Aber „Finitemixtureansatz“ wollen wir
unseren Lesern doch
auch nicht zumuten, oder? Nun hat uns die Rechtschreibreform mit der
Möglichkeit geholfen, häufiger als früher den
Bindestrich zur Verdeutlichung
einzusetzen. Was aber ist besser (bzw. das geringere Übel): a)
„Finite-Mixture Ansatz“,
b) „Finite Mixture-Ansatz“, c) „Finite-Mixture-Ansatz“ oder d)
„Finitemixture-Ansatz“?
Möglichkeit a) können wir
ausschließen, das ist falsches Englisch kombiniert mit falschem
Deutsch. Version
d) setzt voraus, dass die Zusammensetzung „Finitemixture“ im Deutschen
lexikalisiert (sozusagen eingebürgert) ist – ähnlich wie
„Hardware“ oder „Softdrink“.
Das können wir ebenfalls ausschließen. Bleiben b) und c).
Nun besagt die
geltende Rechtschreibung, dass aus dem Englischen stammende Bildungen
aus Adjektiv
und Substantiv zusammengeschrieben werden können (mit Bindestrich
oder ohne),
wenn der Hauptakzent auf dem ersten Bestandteil liegt. Das ist hier
nicht der
Fall. Also bleibt b) „Finite Mixture-Ansatz“. Doch hoppla – in der
neuen
Rechtschreibung heißt es auch: „Man setzt Bindestriche in
substantivisch
gebrauchten Zusammensetzungen mit mehr als zwei Teilen“. Da wären
wir wieder
bei c). Vielleicht sollten wir diese allmählich etwas
nervtötende Überlegung
mit der Bemerkung beschließen, dass jemand, der mit b) und c)
nicht klarkommt,
über etwas anderes reden soll – zum Beispiel darüber, dass
man in obigem
Beispiel statt „Anzahl“ kurz „Zahl“ sagen könnte…
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